Bürgerenergiegesellschaften: Mitgestaltung der Energiewende vor Ort

Bürgerenergiegesellschaften (BEGs) spielen für die deutsche Energiewende eine wichtige Rolle. Zum einen historisch, zum anderen auch als Ort der Mitbestimmung und des aktiven Klimaschutzes. Das Bündnis Bürgerenergie vertritt die Interessen der zahlreichen Akteure. Wir sprachen mit Valérie Lange, Referentin für Energiepolitik und Energiewirtschaft vom Bündnis Bürgerenergie.
Bürgerenergiegesellschaften
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Solarenergie: Bitte stellen Sie sich und Ihren Verein unseren Lesern kurz vor!

Valérie Lange: Mein Name ist Valérie Lange. Ich bin Referentin für Energiepolitik und Energiewirtschaft beim Bündnis Bürgerenergie. 
Das Bündnis Bürgerenergie versteht sich als Dachorganisation der Bürgerenergie-Initiativen, die es in Deutschland gibt. Unsere wichtigste Aufgabe ist es, zu verfolgen, was auf der Bundesebene politisch gerade passiert. Was dort diskutiert wird, welche Energiegesetze angefasst werden, was in den Entwürfen steht und welche Auswirkungen es für die Bürgerenergie hat. Wir bringen dann unsere konkreten Ideen und Konzepte in die politischen Diskussionen ein. Ziel ist es, dass die Rahmenbedingungen für die Bürgerenergiepraxis immer besser werden.

 

Solarenergie: Seit wann gibt es den Verein und wie viele Mitglieder vertreten Sie?

Valérie Lange: Das Bündnis Bürgerenergie gibt es seit 2014, also seit 10 Jahren jetzt. Wir vertreten insgesamt ungefähr fünfhunderttausend Akteure, die direkt oder über ihr Bürgerenergieprojekt Mitglieder sind.

 

Solarenergie: Welche Aufgaben hat das Bündnis Bürgerenergie außer dem „Lobbyismus“?

Valérie Lange: Wir fragen uns: Wie kann die Bürgerenergie noch besser funktionieren? Ein großes Thema ist zum Beispiel das „Energy Sharing“. Wir erarbeiten mit unseren Mitgliedern Visionen, tragen diese dann in die Politik.

Darüber hinaus ist es unsere Aufgabe, die Bürgerenergiegenossenschaften und Akteure untereinander zu vernetzen, damit sie voneinander und miteinander lernen können. Jedes Jahr veranstalten wir z.B. den Bürgerenergiekonvent. Zwei Tage geht es hier um Erfahrungs- und Inspirationsaustausch rund um die Bürgerenergie. 

Selbstverständlich bieten wir auch Beratung für Bürgerenergiegesellschaften und Kommunen an. Hier geht es darum um Fragen wie: Wie gründet man eigentlich eine Bürgerenergiegesellschaft? Wie fängt man an? Was ist eigentlich ein Business Case? Aber auch Professionalisierung ist ein großes Thema. Die Herausforderung besteht darin, dass bei den BEGs viel auf ehrenamtlicher Basis passiert. Wir geben zum Beispiel Hilfestellungen, wie Bürgerenergiegesellschaften ein oder zwei Leute anstellen können, die dann die wichtigen Aufgaben übernehmen.

 

Solarenergie: Können Sie bitte erklären, wie Bürgerenergiegesellschaften ganz allgemein funktionieren?

Valérie Lange: Die Grundidee besteht darin, dass sich Menschen vor Ort zusammenschließen und sagen: Wir wollen die Energiewende bzw. den Klimaschutz selbst in die Hand nehmen. Diese Menschen gründen dann eine Bürgerenergiegesellschaft, entweder eine Genossenschaft oder sie verbinden sich in einer anderen Form, sammeln Geld für ihr Vorhaben. Sie beantragen dann meist auch noch Kredite oder suchen nach einer anderweitigen Möglichkeit zur Finanzierung, zum Beispiel durch die Beteiligung eines Investors. Wenn z.B. ein Windpark gebaut werden soll, dann kann das die Bürgerenergiegesellschaft in der Regel nicht allein stemmen. Die Bürgerenergiegesellschaft betreibt Gemeinschaftsanlagen. Das kann zum Beispiel die Solaranlage auf einem Schuldach, ein Windpark oder eine Freiflächensolaranlage sein.

Wie funktioniert Bürgerenergie?

Solarenergie: Für welche erneuerbaren Energien gibt es bisher Bürgerenergiegesellschaften?

Valérie Lange: In erster Linie sind das PV-Projekte, also große Freiflächenanlagen und große Dachanlagen, sowie Windenergie. Der Fokus liegt auf Photovoltaik, weil PV-Projekte einfacher umzusetzen sind und weniger finanzielle Risiken als z.B. Windprojekte bergen. Es gibt aber Bürgerenergiegesellschaften, die Ladeinfrastruktur für die Elektromobilität zur Verfügung stellen oder Carsharing betreiben, die sich dem Thema Wärme widmen oder sich auf Effizienz spezialisiert haben. 

Solarenergie: Welche rechtlichen Formen sind für die Bürgerenergiegesellschaften üblich bzw. zulässig?

Valérie Lange: Viele Initiativen vor Ort entscheiden sich, eine Genossenschaft zu gründen. Nicht weil es besonders einfach wäre, sondern weil die Genossenschaftsform ein basisdemokratisches Modell ist. Unabhängig davon, wie viel Geld ich investiere, ich habe immer eine Stimme. Das überzeugt viele Akteure.

Letztendlich kann eine Bürgerenergiegesellschaft aber auch ein Unternehmen sein oder ein Verein. Das ist den Akteuren selbst überlassen und die suchen sich das Modell aus, das ihnen am besten passt.

 

Solarenergie: Was sind die typischen Herausforderungen, vor denen die Bürgerenergiegesellschaften stehen?

Valérie Lange: Die größte Herausforderung besteht darin, dass Bürgerenergiegemeinschaften eher kleine Akteure auf dem Spielfeld der Energiewirtschaft sind. Sie haben im Vergleich wenige Projekte und kleinere finanzielle Polster. Sie können finanzielle Risiken nur in sehr viel geringerem Umfang stemmen als große Akteure.  

Deshalb ist es so wichtig, dass die kleinen, dezentralen Akteure in der Energiewirtschaft immer mitgedacht werden. Bei jedem Gesetz im Bereich der Energie und auch dort, wo wir darüber sprechen, wie unser Stromsystem in Zukunft funktionieren soll. Das sind die Diskussionen, die unter dem Stichwort Strommarktdesign geführt werden.

Eine weitere Herausforderung ist, dass viele Energiegemeinschaften zum großen Teil auf Ehrenamtlichkeit beruhen. Das Engagement und die intrinsische Motivation sind sehr beeindruckend.

Doch ein Windrad oder eine Solaranlage zu bauen, Mitmenschen und die Kommune zu aktivieren, sollte keine Aufgabe sein, die nebenbei läuft. Deshalb ist auch Organisationsentwicklung der Bürgerenergiegemeinschaften ein wichtiger Punkt für uns. Das bedeutet, dass Menschen mit der Energiewende vor Ort auch Jobs schaffen und für die tolle Arbeit, die sie leisten, bezahlt werden.

 

Bild: Arnold Löffler, Solar-Bürger-Genossenschaft eG, beschreibt die effiziente Erzeugung von Strom und Wärme aus einem BHKW.

Bündnis Bürgerenergie
Quelle: Bündnis Bürgerenergie e.V., Jörg Farys
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Solarenergie: Aus dem Blickwinkel einer Dachorganisation – was würden Sie sagen, wie sieht die Bilanz der Bürgerenergiegesellschaften bisher aus?

Valérie Lange: Um diese Frage zu beantworten, muss man zuerst schauen, woher die Bürgerenergiegesellschaften kommen – nämlich aus der Anti-Atom-Bewegung. Zu Beginn der Bürgerenergiebewegung sagten Menschen: Wir wollen uns nicht nur an Schienen ketten, sondern mit Visionen vorausgehen. Das waren auch die ersten, die überhaupt im großen Stil von einer erneuerbaren Energieversorgung gesprochen und selbst mit Solar und Wind experimentiert haben. Man kann sagen, dass die Bürgerenergie trotz mancher Steine, die man der Bewegung in den Weg gelegt hat, das Thema erneuerbaren Energien überhaupt erst salonfähig gemacht hat. Insofern ist die Bilanz auf jeden Fall positiv.

Auch regulatorische Erfolge gab es. Z.B., dass die Bürgerenergiegesellschaften unter bestimmten Konditionen von einer Ausschreibung ausgenommen werden können. Solche Ausschreibungen sind nämlich immer sehr langwierig, teuer und nicht immer erfolgreich.

 

Solarenergie: Wo liegen aus Ihrer Sicht die größten Vorteile einer Bürgerenergiegesellschaft?

Valérie Lange: Der größte Vorteil besteht darin, dass die Akteure die Energiewende den Klimaschutz selbst in die Hand nehmen können.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Wertschöpfung, die vor Ort bleibt. Es ist dann nämlich kein externer Investor, der die Flächen nutzt und den Gewinn, der dort entsteht, wegträgt. Nicht zuletzt können Jobs entstehen. Es gibt zudem auch Anlagen, in die die Kommunen selbst investiert haben. In diesen Kommunen wird der Haushalt durch die Einnahmen aus der Energieanlage verbessert.

Die Vorteile von Bürgerenergie sind also sehr vielfältig: Es geht um Teilhabe, um eigene Energieproduktion, niedrigere Energiepreise und darum, die Zukunft vor Ort zu gestalten.

 

Solarenergie: Aber direkt auf den Strompreis vor Ort hat die Bürgerenergiegesellschaft keinen Einfluss, das dann sozusagen die Kilowattstunde günstiger wird?

Valérie Lange: Noch wird der gewonnene Strom komplett ins Netz eingespeist. Es besteht aber der Wunsch, dass der selbst erzeugte Strom auch von den Akteuren selbst genutzt werden kann. Nach aktuellem Stand ist das noch nicht möglich, deshalb setzen wir uns für Regelungen zum Energy Sharing ein.

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Solarenergie: Im privaten Maßstab ist die Eigennutzung des Stroms ein wichtiger Baustein, wenn es um die Refinanzierung der Anlage geht. Bei Bürgerenergiegesellschaften sieht es aber anders aus…

Valérie Lange: Richtig. Die Akteure dürfen den Strom, den sie selbst produzieren, bisher nicht selbst nutzen. Mit Energy Sharing soll sich das ändern. Das Konzept, das seit langem schon im europäischen Recht verankert ist, wird in einigen europäischen Ländern bereits erfolgreich umgesetzt. Deutschland hinkt hier hinterher. Das größte Hindernis besteht darin, dass man über das öffentliche Netz gehen muss. Wenn man aber das öffentliche Netz nutzt, muss man alle Umlagen und Abgaben bezahlen und das ist einfach sehr teuer. Dadurch rechnet sich das Teilen nicht.

Dabei wäre das nicht nur aus finanzieller Sicht für die Akteure sinnvoll. Strom, der vor Ort gleich wieder verbraucht wird, entlastet auch die Netze und reduziert den Bedarf an Speichermöglichkeiten. Es gibt eine Studie von Energy Brainpool aus dem vergangenen Jahr, die belegt: Wenn der Strom regional produziert und genutzt wird, beträgt die Netzentlastung bis zu 30%. Das ist eine erhebliche Menge, wenn wir z.B. über die Kosten für den Netzausbau sprechen und darüber, wie in Zukunft unser Netz eigentlich ausgelegt sein sollte.

 

Solarenergie: Eines der Hindernisse beim Mieterstrom war lange Zeit, dass die Versorgung vollständig sichergestellt werden musste. Das bedeutet, dass der Anlagenbetreiber auch den Reststrom zur Verfügung stellen musste und alle Rechte und Pflichten eines Energieversorgers hatte. Das hat sich geändert. Wie sieht es da bei den Bürgerenergiegesellschaften aus?

Valérie Lange: Dieses Thema spielt bei der Diskussion zum Energy Sharing eine wichtige Rolle. Momentan haben wir ja noch keine rechtliche Regelung, wie das aussehen soll.

Es gibt die Idee des Vollversorgungsmodells. Das bedeutet, dass sich ein Dienstleister um den Reststrom kümmert und alle energiewirtschaftlichen Auflagen erfüllt und auch die überschüssigen Strommengen abnimmt.

Und es gibt die Idee von Energy Sharing als Teilversorgungsmodell. Hier hat ein Haushalt zwei Stromverträge: einerseits einen Vertrag, der sich auf die gemeinschaftliche Anlage bezieht und zusätzlich noch einen Reststrom-Lieferanten.

Beide Modelle haben Vor- und Nachteile und wir sprechen uns dafür aus, dass sowohl die Vollversorgung als auch die Teilversorgung möglich wird. Die Teilversorgung muss aber auf jeden Fall umgesetzt werden – das ist bereits EU-Recht.

 

Solarenergie: Eine Frage noch zum Schluss – Können sich Interessenten, die eine Bürgerenergiegesellschaften gründen wollen, an Sie wenden?

Valérie Lange: Ja, Interessenten können sich gerne an uns wenden. Wir haben Beratungsangebote, aber es gibt auch viel Infomaterial auf unserer Website, wie man Bürgerenergiegesellschaften gründet und welche Aktivitäten notwendig sind. Da geben wir gern Hilfestellung.

Ich empfehle auch, sich in den Nachbargemeinden oder der näheren Umgebung umzuschauen. Wen gibt es da schon und was machen die? Sich vernetzen und von denen lernen, die die Idee bereits erfolgreich umgesetzt haben, ist der erste Schritt.

 

Vielen Dank für die ausführlichen Antworten!

Bürgerenergiegesellschaften – eine kurze Historie

Bürgerengagement in der Energieversorgung besitzt in Deutschland eine lange Tradition. Im 19. Jahrhundert wurden in ländlichen Gegenden Energiegenossenschaften mit eigenen Verteilnetzen und eigener Energieproduktion gegründet. Für größere Energieunternehmen rechnete es sich in diesen Regionen lange nicht. Zunächst entstanden immer mehr Elektrizitätsgenossenschaften, doch ab den 1930er Jahren erfolgte eine zunehmende Zentralisierung der Stromversorgung mit fossilen Großkraftwerken auf Basis von Kohle, Öl und Kernkraft.

Mit der Öffnung der Energiemärkte und der freien Wahl des Stromanbieters Ende der 1990er kam es zu einer Wiederbelebung genossenschaftlicher Strukturen im Energiesektor. Inzwischen gibt es mehr als 2.000 Bürgerenergiegesellschaften in Deutschland. Diese können aus einigen wenigen Personen bestehen oder auch aus mehreren tausend.

Die genossenschaftlich organisierten Bürgerenergiegesellschaften haben einen Anteil von ca. 3 Prozent an der erneuerbaren Energieerzeugung. Hinzu kommen viele andere Formen der Bürgerenergie wie GbRs, GmbHs etc.

3 % plus - das klingt erst einmal nach nicht viel. Doch die Bürgerenergie hat den Impuls gegeben, der die Energiewende erst möglich gemacht hat. Inzwischen haben auch die großen fossilen Akteure verstanden, dass die Zukunft erneuerbar ist.

Bündnis Bürgerenergie
Quelle: Bündnis Bürgerenergie e.V., Jörg Farys

Das Bündnis Bürgerenergie

(Informationen von Website)

 

Das Bündnis Bürgerenergie (BBEn) – organisiert als gemeinnütziger Verein – setzt sich für eine von Bürger*innen getragene Energieversorgung aus 100 Prozent Erneuerbaren Energien ein.

Das Bündnis hat vertritt über 500 000 Bürgerenergieengagierte, neben Privatpersonen auch zahlreiche kleinere und mittlere Energieversorger sowie Stiftungen, die die Förderungen der Erneuerbaren Energien zum Ziel haben.

Die BBEn sieht sich als Plattform für Engagierte der dezentralen Bürgerenergiewende. Ziel ist die Stärkung und der weitere Ausbau einer Bürgerenergiebewegung. Dazu unterstützt der Verein Bürgerenergieinitiativen durch Beratung und sorgt mit Broschüren und Leitfäden für eine solide Wissensbasis der Akteure. Der Rat für Bürgerenergie ist der fachliche Beirat des Bündnisses. Er besteht aus bis zu 20 Vertreter*innen, die sich wissenschaftlich oder praktisch mit Bürgerenergie beschäftigen.

Das BBEn begreift sich dabei als Vordenker einer partizipativen und dezentralen Energiewende. Mittel sind hier unter anderem die Erstellung von Studien, Berichten, Gesetzesentwürfen, Positionspapiere. Der Verein zeigt zudem die realen Möglichkeiten auf und kommuniziert die Argumente für eine partizipative und dezentrale Energiewende verständlich und faktenbasiert.

Das BBEn will die Stimme der Bürgerenergie und konstruktiv-kritischer Begleiter sein, Impulsgeber sowie die politische Interessenvertretung der Bürgerenergie. Das BBEn geht Kooperationen mit relevanten Akteuren ein, um Mehrheiten für ihre Ziele zu erreichen.

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