Agri-PV: Solarstrom auf Ackerland
Agri-PV: Solare Stromgewinnung trifft Landwirtschaft
Der Begriff „Agri-PV“ steht für eine Kombination aus Agrarwirtschaft (Landwirtschaft) und der Installation von Photovoltaikanlagen, die eine vorteilhafte Doppelnutzung landwirtschaftlicher Flächen ermöglicht. Der Ausbau der Agri-PV nimmt derzeit weltweit rasant zu – und das aus guten Gründen: Forschungsprojekte legen nahe, dass die Vorteile von Photovoltaikanlagen auf landwirtschaftlichen Flächen deutlich überwiegen. Ein Überblick.
Begrifflichkeiten: Agro-PV, Agri-PV oder Agrar-Photovoltaik?
Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) prägte ursprünglich den Begriff „Agro-Photovoltaik“, eine Kombination aus „Photovoltaik“ und dem lateinischen Wort „ager“, das auf Deutsch „Acker“ bedeutet. Zeitgleich tauchte in der Umgangssprache jedoch das britische Slang-Wort „aggro“ auf, das in etwa „aggressiv“ bedeutet. Um negative Konnotationen zu vermeiden, stieg man daher von Agro-PV um auf „Agrar-Photovoltaik“.
Auch dieser Begriff brachte aber Schwierigkeiten mit sich, da der deutsche Bestandteil „Agrar-“ im internationalen Raum so nicht verwendet wird – im Englischen heißt es „agriphotovoltaics“. Im Interesse der Internationalität setzte sich daher auch der Begriff „Agri-PV“ durch. Mittlerweile existieren im deutschsprachigen Raum alle drei Begriffe parallel, man liest also von „Agro-PV-Anlagen“ ebenso wie von „Agrar-PV-“ oder „Agri-PV-Anlagen“. Als einheitliche Bezeichnung sowohl im deutschen als auch im internationalen Raum hat sich lediglich die Abkürzung „APV“ durchgesetzt.
Was genau ist Agri-PV und welche Vorteile bietet sie?
Die Kombination aus Photovoltaik und Landwirtschaft macht es möglich, landwirtschaftliche Flächen doppelt zu nutzen: Unter oder neben aufgeständerten PV-Anlagen werden beispielsweise Kulturpflanzen angebaut, teilweise werden die Flächen sogar als Schafweiden genutzt. Riesige Solarparks, in denen auf diese Weise Landwirtschaft und Stromgewinnung kombiniert werden, bringen gleich mehrere Vorteile mit sich:
- Effizienz: In Deutschland, aber auch weltweit besteht noch sehr großes Potenzial, Flächen für Solarenergie oder Landwirtschaft zu nutzen. Die Agri-PV kann dieses Potenzial nahezu verdoppeln.
- Bioenergie nachhaltiger gestalten: Die Gewinnung von Bioenergie aus Biomasse gilt als klimaneutral, bringt jedoch den ethischen Konflikt mit sich, ob Flächen zur Produktion von Nahrungsmitteln oder zur Erzeugung von Strom, Wärme oder Treibstoff genutzt werden sollen. Die Agrar-Photovoltaik könnte dieses Dilemma lösen.
- Wasserverbrauch reduzieren: Solaranlagen auf landwirtschaftlichen Flächen reduzieren die Windlast und die Sonneneinstrahlung auf dem Boden. Das ist insbesondere für den Anbau in Wüstenregionen sehr interessant und kann sogar helfen, Wüstengegenden zu begrünen.
- Schutzfunktion: Die PV-Anlagen bieten in der Landwirtschaft zusätzlichen Schutz vor steigenden Temperaturen und vor extremen Wetterereignissen wie Starkregen oder Hagel.
- Erträge steigern: Erste Forschungsergebnisse zeigen, dass sich die Erträge mancher Pflanzen dank des Schutzes durch die PV-Anlagen sogar steigern lassen.
- Artenschutz: Die relativ geschützten Bereiche, die unter Agrar-PV-Anlagen entstehen, können möglicherweise als Rückzugsorte für bestimmte Tierarten dienen und ihnen Schutz vor Wetterextremen bieten.
- Regionalität: Strom und Nahrungsmittel werden zeitgleich regional produziert und in größerem Umfang auch regional verbraucht.
Bei allen Vorteilen gibt es jedoch auch Herausforderungen zu bewältigen. Diese liegen derzeit größtenteils in der durch die Gesetzgebung noch gehemmten Entwicklung.
Entwicklung und Förderung von Photovoltaikanlagen in der Landwirtschaft
Die Nutzung von Solaranlagen in der Landwirtschaft, insbesondere als Agri-PV, entwickelt sich derzeit weltweit rasant: Von lediglich 5 Megawatt-Peak (MWp) im Jahr 2012 stieg die installierte Leistung im Bereich Agrar-Photovoltaik auf 2,9 Gigawatt-Peak (GWp) im Jahr 2018 und dann auf ganze 14 GWp im Jahr 2020.
Das ISE sieht in Deutschland im Bereich Agri-PV ein Potenzial für eine Gesamtleistung von 1,7 Terawatt, das sind 1.700 Gigawatt. Zum Vergleich: 2020 wurde die als “52-Gigawatt-Deckel” bekannte Zubaugrenze für PV-Anlagen abgeschafft. Für die Erreichung der deutschen Klimaziele bis 2050 wären hingegen „nur“ 500 Gigawatt notwendig, doch installiert sind in Deutschland derzeit nur rund 55 Gigawatt.
Für PV-Anlagen mit einer Leistung von mehr als 100 Kilowatt – also für praktisch für alle Solarparks – ist mittlerweile die Direktvermarktung des Stroms vorgeschrieben. Eine Einspeisevergütung, wie sie für kleinere Anlagen ausgeschüttet wird, ist nicht vorgesehen.
Während Photovoltaik in der Landwirtschaft bereits großflächig zur Anwendung kommt und auch gefördert wird, war die Agri-PV bis vor Kurzem in Deutschland noch nicht gesetzlich verankert. Andere Länder wie Japan, China, Frankreich, die USA und Korea haben bereits Förderprogramme aufgelegt, mit der Novelle zum Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) von 2021 zog Deutschland dann nach. Erstmalig gab es für das Jahr 2022 eine Ausschreibung für insgesamt 50 Megawatt installierter Leistung im Bereich Agri-PV, gekoppelt allerdings mit weiteren Projekten: Solaranlagen über Parkplätzen und die sogenannte „Floating PV“, schwimmende Solaranlagen.
Hinzu kamen weitere Einschränkungen in Bezug auf die mögliche Förderung von Photovoltaik in der Landwirtschaft. Das ISE beurteilt, dass hier Chancen verpasst wurden, und gibt Handlungsempfehlungen, um den Ausbau von Photovoltaikanlagen auf Ackerland attraktiver zu gestalten.
Herausforderungen für die Agri-PV und Empfehlungen des ISE
Derzeit ist für PV-Anlagen, die Landwirtschaft und Stromgewinnung auf die beschriebene Art kombinieren, keine Einspeisevergütung angedacht. Darüber hinaus können Agrarwirte für solche Anlagen nicht die übliche EU-Agrarsubvention nutzen. Die flächenneutrale Agri-PV wird im deutschen Baurecht nicht privilegiert. Das ISE kritisiert außerdem, dass die ausgeschriebene Förderung für solche PV-Anlagen in der Landwirtschaft nur für Anlagenkombinationen vorgesehen ist, zu erreichen zum Beispiel durch Kopplung mit einem Speicher oder einer weiteren EE-Anlage. Außerdem ist die Förderung ebenfalls für die genannten Solaranlagen über Parkplätzen und für die Floating PV zugänglich.
Das ISE äußert Bedenken, der Konkurrenzkampf um die Förderungen könne dazu führen, dass eine erfolgreiche Förderung für Agri-PV-Anlagen nicht realistisch sei. Auch kleinere Anlagen könnten nach aktueller Gesetzeslage in der Regel nicht gefördert werden. Ein weiteres Manko der Gesetzgebung: Der Eigenverbrauch des produzierten Solarstroms ist nicht vorgesehen – um die Förderung erhalten zu können, muss der gewonnene Strom vollständig ins öffentliche Netz eingespeist werden. Das ISE regt daher unter anderem an,
- Förderungen speziell für die Agrar-PV zu schaffen (also von der Kombinationspflicht zu befreien),
- weitere und mehrjährige Förderungen anzubieten und
- eine Regelung der EU-Direktzahlung zu schaffen.
Alle Empfehlungen sowie eine ausführliche Betrachtung der aktuellen Lage im Bereich Agrar-Photovoltaik finden Sie im APV-Leitfaden des Fraunhofer Instituts.
Ausblick: Forschung und Möglichkeiten der Zukunft
Die Anwendungsmöglichkeiten der Agri-PV sind vielfältig: Von Photovoltaik-Tunneln in Vietnam, die für die Garnelenaufzucht an Land genutzt werden, über PV-Zäune bis hin zu Photovoltaikanlagen auf Stalldächern gibt es zahlreiche Ansätze. Das ISE unterstützt und überwacht außerdem mehrere Forschungsprojekte, die weitere Möglichkeiten analysieren. Hier zwei Beispiele:
- Das Projekt „APV-MaGa“ testet PV-Anlagen im Westen Afrikas (Mali und Gambia), die V-förmig als Dächer für kleine Anbauinseln genutzt werden. Auf diese Weise werden Solarstrom erzeugt und Regenwasser aufgefangen und beides dann genutzt, um unterhalb der Solarmodule Nahrungsmittel anzubauen. Mit dem Strom werden beispielsweise Wasserpumpen, Getreidemühlen und Kühlkammern betrieben.
- In Deutschland wird ein Projekt zum Obstanbau durchgeführt. Hier wird überprüft, inwieweit Agri-PV-Anlagen die Obstpflanzen vor Starkregen, Hagel und zu hohen Temperaturen durch direkte Sonneneinstrahlung schützen können.
Um effizient arbeiten zu können, müssen Agri-PV-Anlagen immer an die Region, das Klima und die geplanten landwirtschaftlichen Aktivitäten angepasst werden. Es ist auch möglich, mit nachgeführten PV-Anlagen zu arbeiten, welche die Sonneneinstrahlung noch effizienter nutzen. All diese und weitere Möglichkeiten werden derzeit intensiv erforscht und weiterentwickelt.