Das Stromnetz in Deutschland
Was ist das Stromnetz?
Das Stromnetz dient dem Transport elektrischer Energie vom Erzeuger zum Verbraucher. Es umfasst neben den elektrischer Leitungen Einrichtungen wie Transformatoren, Schalter, Mess-, Regel- und Steuertechnik.
Das deutsche Stromnetz ist ein Verbundnetz, das durch die Verbindung vieler kleinerer Netze entstanden ist. Daneben bestehen sogenannte Inselnetze, die in regionaler Nachbarschaft befindliche Erzeuger und Verbraucher miteinander verbinden.
Die Elektrifizierung Deutschlands setzte in den 1880er Jahren infolge der Industrialisierung ein, beginnend mit den Metropolen des damaligen Kaiserreiches. Daraus entstanden später Regionalnetze, die immer weiter miteinander verbunden wurden. Anfangs existierten Gleichspannungs- und Wechselspannungsnetze noch nebeneinander, bevor sich Anfang des 20. Jahrhunderts die Wechselspannung durchsetzte.
Das Stromnetz, wie wir es heute kennen, entstand erst nach der Wiedervereinigung - die Inbetriebnahme des gesamtdeutschen Verbundnetzes erfolgte im Herbst 1995.
Wie ist das deutsche Stromnetz aufgebaut?
Das Stromnetz teilt sich in vier Spannungsebenen auf: Das Höchstspannungsnetz, das Hochspannungsnetz, das Mittelspannungsnetz und das Niederspannungsnetz, an das die typischen Haushalte angeschlossen sind. Das Höchstspannungsnetz wird auch als Übertragungsnetz bezeichnet, Hoch-, Mittel- und Niederspannungsnetz werden zum Verteilnetz zusammengefasst. Knotenpunkte des Stromnetzes sind die Umspannanlagen sowie Ortsnetztransformatoren. Diese verbinden das Übertragungsnetz mit den Verteilnetzen, Erzeugungsanlagen und großen Industrieunternehmen. Ihre Hauptaufgaben sind das Ein- und Ausschalten der Stromleitungen und das Umspannen (Transformieren) der elektrischen Energie auf eine andere Spannungsebene.
Die Ebenen des Stromnetzes
Der in Kraftwerken erzeugte Strom hat eine Spannung von etwa 10.000 bis 20.000 Volt. Um einen möglichst verlustfreien Transport zu gewährleisten, wird er auf 220.000 bzw. 380.000 Volt transformiert und in das Höchstspannungsnetz eingespeist. Durch das „Umspannen“ wird die Stromstärke reduziert. Bei niedrigeren Strömen kommt es zu einer geringeren Wärmeentwicklung.
Das Hochspannungsnetz ist gleichzeitig das Übertragungsnetz, in dem der Strom landesweit und international verteilt wird. Es wird gern als „Autobahnen des Stromnetzes“ bezeichnet. Betrieben wird das Höchstspannungsnetz von den vier Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB) TenneT TSO, 50Hertz Transmission, Amprion und TransnetBW. Abnehmer sind große Industriebetriebe und Regionalversorger, die den Strom weiterverteilen.
Dies geschieht im Hochspannungsnetz, das in Deutschland überwiegend mit 110.000 V betrieben wird. In das Hochspannungsnetz können Mittel- oder Spitzenlastkraftwerke direkt einspeisen.
Zusammen mit dem Mittelspannungsnetz (10 bis 30 Kilovolt) liefert das Hochspannungsnetz die elektrische Energie für Unternehmen und Stadtwerke oder kleine Energieversorger. Das Mittelspannungsnetz verteilt den Strom an die Transformatorstationen des Niederspannungsnetzes (230 und 440 V), aus dem dann Haushalte, Industrie, Gewerbe und Verwaltungen mit elektrischer Energie versorgt werden. Industriebetriebe werden zum Teil auch mit höheren Spannungen bis maximal 1.000 V über das Niederspannungsnetz beliefert. Man unterscheidet hier je nach Dichte des Netzes zwischen Strahlen-, Ring-, Maschen und Stummelnetzen (Topologie). Kleinere Stromerzeuger wie Blockheizkraftwerke, Windenergieanlagen und Photovoltaikanlagen speisen ihren Strom auf der Mittel- oder Niederspannungsebene ein, private Photovoltaikanlagen in der Regel ins Niederspannungsnetz.
Wie bereits erwähnt, bilden Hoch-, Mittel- und Niederspannungsnetz das Verteilnetz, das auch als öffentliches Netz bezeichnet wird. Dieses wird von den Verteilnetzbetreibern (VNB) betrieben, die seit der Entflechtung von Stromnetz und Stromerzeugung nicht mehr gleichzeitig Netzbetreiber und Stromversorger bzw. Grundversorger sein dürfen („Unbundling-Prinzip“). Allerdings sieht es in der Praxis so aus, dass der überwiegende Teil der über 800 Verteilnetzbetreiber aufgrund seiner geringen Größe (De-minimis-Grenze) von dieser Regelung ausgeschlossen ist.
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Wie funktioniert das Stromnetz?
Die große Herausforderung für ein funktionierendes Stromnetz besteht darin, dass zu jedem Zeitpunkt genauso viel Strom erzeugt wie aktuell verbraucht wird. Gesteuert wird dieses Gleichgewicht über das Bilanzkreismanagement. Kommt es zu einem Ungleichgewicht, verändert sich die Netzfrequenz (Polaritätswechsel des Wechselstroms pro Sekunde). Dies ist nur innerhalb sehr enger Grenzen möglich, denn sonst kommen die vielen miteinander verbundenen Kraftwerke „außer Tritt“. Eine konstante Netzfrequenz ist also die Voraussetzung für das störungsfreie Funktionieren des Stromnetzes.
Vor dem Aufkommen der erneuerbaren Energien war das Netz immer hierarchisch aufgebaut, die Einspeisung erfolgte nur auf Höchst- und Hochspannungsebene. Mit den erneuerbaren Energien kommen viele Einspeiser auch auf den niederen Ebenen hinzu, was eine detailliertere und komplexere Regelung erforderlich macht. Die dekarbonisierte Energieversorgung ist ohne ein intelligentes Stromnetz nicht denkbar.
Regelung im hierarchischen Stromnetz
Die Stromerzeugung mit konventionellen Kraftwerken ist dreiteilig aufgebaut. Die Grundlastkraftwerke (Braunkohle-, Atom- und Laufwasserkraftwerke), laufen nahezu ununterbrochen und liefern jederzeit eine recht genau planbare Menge an Strom. Reicht das Angebot nicht mehr aus, werden die Mittellastkraftwerke (typischerweise langsam regulierbare Steinkohlekraftwerke) zu geschaltet. Zu Spitzenzeiten werden schnell regelbare Gaskraft-, Pumpspeicher- oder Druckluftspeicherkraftwerke eingesetzt.
Die Regelung im hierarchischen Stromnetz erfolgt von „unten nach oben“: Verbrauchsänderungen, die die Niederspannungsnetze selbst oder untereinander nicht mehr ausgleichen können, müssen durch das Mittelspannungsnetz ausgeglichen werden. Ist das Mittelspannungsnetz überfordert, regelt das Hochspannungsnetz das Stromangebot, und wenn dieses überfordert ist, das Höchstspannungsnetz.
Bei den Kraftwerken im Stromnetz kommen vorwiegend sogenannte Synchrongeneratoren zum Einsatz, bei denen ein starrer Zusammenhang zwischen Drehzahl und Netzfrequenz besteht. Übersteigt der Stromverbrauch bzw. -bedarf die angebotene Leistung, führt dies zu einem Abbremsen der Generatoren. Damit sinkt auch die Netzfrequenz ab. Um dem entgegenzuwirken, muss mehr Energie erzeugt werden. Ist die Netzlast geringer als erwartet und die Frequenz steigt, laufen die Generatoren aufgrund ihrer Masseträgheit erst einmal weiter und gleichen so die Schwankung aus.
Kann die Schwankung kurzfristig nicht ausgeglichen werden, kommt die Regelleistung ins Spiel. Dabei handelt es sich um flexible arbeitende Kraftwerke, die nach Bedarf zu und abgeschaltet werden können. Die sogenannte Primärregelung muss innerhalb von 30 Sekunden für maximal 15 Minuten zur Verfügung stehen. Bei Dampfturbinen geschieht dies z.B. über ein Dampfreservoir, weil eine Erhöhung der Feuerungsleistung zu lange benötigen würde, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Bei Gasturbinen muss hingegen nur die Gaszufuhr erhöht werden. Diese Primärregelleistung wird vor allem von Großkraftwerken aus dem gesamten Verbund zur Verfügung gestellt, teilweise auch von kleineren und Wasserkraftwerken.
Wird die Netzfrequenz im gegebenen Zeitraum stabilisiert, wird die Primärregelleistung wieder abgeschaltet, um für neue Regelleistungen zur Verfügung zu stehen. Die Sekundärregelung, die von den Übertragungsnetzbetreibern vor allem mittels Pumpspeicherwerken und Gaskraftwerken zur Verfügung gestellt wird, sorgt für die Angleichung der Frequenz an die Nennfrequenz von 50Hz. Die Sekundärregelleistung wird zeitgleich mit der Primärregeleistung angefordert und muss innerhalb von 5 bis 15 Minuten zur Verfügung stehen.
Die Tertiärregelleistung, die nach 15 Minuten zur Verfügung stehen muss, wird eingesetzt, um die Sekundärregelung zu unterstützen und zu entlasten. Sie wird von Pumpspeicher-, Steinkohle- und Gaskraftwerken durch manuelle Zu- und Abschaltung zur Verfügung gestellt. Auch Blockheizkraftwerke und andere kleine Anlagen, meist zusammengefasst zu einem virtuellen Kraftwerk, kommen zum Einsatz. Als Alternative zur Bereitstellung von Regelenergie können auch Großverbraucher abgeschaltet werden, bei denen eine kurzfristige Stromunterbrechung keine Probleme bereitet. Ein typisches Beispiel hierfür sind Kühlhäuser.
Alle Möglichkeiten zur Erbringung von Regelleistung müssen ständig vorgehalten werden, um schnell einsetzbar sein. Das kostet selbstverständlich Geld, das über die Netzentgelt zur Verfügung gestellt wird. Dabei wird zwischen einem Leistungspreis und einem Arbeitspreis unterschieden. Der Leistungspreis wird für das Bereithalten der Regelleistung, der Arbeitspreis für die tatsächlich erbrachte Leistung bezahlt. (Quelle)
Regelung im intelligenten Stromnetz
Mit der zunehmenden Einspeisung auf verschiedenen Ebenen des Stromnetzes wird auch das Thema der Regelleistung wichtiger aber auch deutlich komplexer. Eine zentrale Herausforderung stellt dabei die Volatilität, d.h. die schwankende Verfügbarkeit der erneuerbaren Energien dar. Um die Stabilität der Netze und die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, muss das Stromnetz „intelligenter“ werden, das heißt Angebot und Nachfrage müssen auf allen Ebenen mess- und regelbar sein. Letzteres bedeutet, dass sich Verbraucher automatisch auch aus der Ferne zu- und abschalten lassen.
Währen im hierarchischen Stromnetz die Anpassung bzw. Regelung im Allgemeinen auf der Angebotsseite geschieht, kann im intelligenten Stromnetz durch zeitliche Lastverschiebungen auch auf der Verbrauchsseite geregelt werden. Das geschieht z.B., indem Elektroautos dann aufgeladen werden, wenn viel überschüssige Energie zur Verfügung steht. Denkbar ist auch der gezielte „Lastabwurf“ von Verbrauchern wie Kühlschränken, die zwar keinen großen Verbrauch haben, aber in jedem Haushalt vorhanden sind und zusammen einen eheblichen Strombedarf repräsentieren. Zudem kann eine flexible Preisgestaltung dazu beitragen, dass die Nachfrage in Zeiten gelenkt werden, in denen genügend Strom vorhanden ist.
Eine wichtige Rolle für die Stabilisierung des Stromnetzes spielen auch Speicher aller Art, von Pumpspeicherkraftwerken und Großspeichern bis hin zu Heimspeichern. Auch der Stromtransfer „vehicle to grid“, also zwischen Elektroauto und Stromnetz, wird in Zukunft an Bedeutung gewinnen.
Die intelligente Aufrüstung bestehender Übertragungsnetze zu einem Smart Grid ist dabei nur begrenzt notwendig, da diese Netze schon heute intelligent gesteuert werden. Die Hauptaufgaben liegen in den unteren Netzebenen, im Verteilnetz. Die Smart-Meter-Pflicht, also die verpflichtende Einführung eines intelligenten Mess- und Regelsystems ist eine wichtige Voraussetzung, um auch im Stromnetz der Zukunft die erforderliche Regelleistung erbringen zu können.
Erforderlicher Ausbau der Stromnetze
Mit dem zunehmenden Einsatz volatiler erneuerbarer Energien wird nicht nur die Regelung im Stromnetz komplexer. Große Offshore-Windanlagen an der Küste, die mit den großen Abnehmern im Süden verbunden werden müssen, aber auch das nachfrageseitige Lastmanagement und die Rückspeisung aus den Verteilungs- in die Übertragungsnetze erfordern einen Ausbau aber auch eine Optimierung des deutschen Stromnetzes.
Wie das im Einzelnen geschehen soll, wird in den Netzentwicklungsplänen (NEP) der Übertragungsnetzbetreiber festgeschrieben. Laut Energiewirtschaftsgesetz müssen die ÜNB alle zwei Jahre einen gemeinsamen Netzentwicklungsplan auszuarbeiten, der dem aktuellen Stand und dem prognostizierten Bedarf der Zukunft angepasst ist. Dafür werden verschiedene Szenarien entworfen.
Der aktuelle NEP wird jeweils von der Bundesnetzagentur veröffentlicht und zur öffentlichen Konsultation gestellt. Auf Grundlage des Szenariorahmen-Entwurfs der ÜNB, der Konsultation und der eigenen Einschätzung genehmigt die Bundesnetzagentur einen Szenariorahmen, der für die Markt- und Netzberechnungen der ÜNB im nächsten Netzentwicklungsplan verbindlich ist. Durch diesen fortlaufenden Prozess sollen die notwendigen umfassende Modernisierungs-, Um- und Ausbaumaßnahmen bestmöglich geplant und koordiniert werden, damit die Versorgungssicherheit auch zukünftig gewährleistet bleibt.
Wem gehören die Stromnetze?
Bis zur Liberalisierung des Strommarkts 1998 gehörten die Netze den Energieversorgern. Diese waren somit gleichzeitig auch Netzbetreiber. Für die Energieversorger bestand damit die (theoretische) Möglichkeit, die eigene Energie günstiger oder sogar kostenfrei durchzuleiten. Um gleiche Bedingungen für alle Marktteilnehmer zu schaffen, wurden deshalb Stromnetz und Energieerzeugung getrennt. Zunächst wurde diese Vorgabe durch die Bildung von unabhängigen Tochterfirmen der Energieversorger erfüllt, mittlerweile wurden die Netzbetreiber zu Anteilen oder komplett verkauft. Heute liegen die Netze in Deutschland in der Hand der vier Übertragungsnetzbetreiber Tennet, Amprion, 50Hertz und TransnetBW. Die einzelnen Übertragungsnetzbetreiber haben verschiedene Eigentümer.
Alleingesellschafterin der Tennet TSO ist seit 2010 die deutsche Tennet GmbH & Co. KG, die sich im Besitz der niederländischen Tennet Holding befindet. Deren Eigentümerin ist das Königreich der Niederlande; die Beteiligung hält das niederländische Finanzministerium. [Wikipedia]
Die Anteilseigner der Amprion GmbH sind mit 74,9 Prozent die M31 Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. Energie KG und mit 25,1 Prozent die RWE AG. Bei der M31 Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. Energie KG handelt es sich um ein Konsortium von überwiegend deutschen institutionellen Finanzinvestoren aus der Versicherungswirtschaft und von Versorgungswerken. Die RWE AG ist ein börsennotierter Energieversorgungskonzern. [Amprion.net]
Der börsennotierte belgische Übertragungsnetzbetreiber Elia System Operator S.A. hält inzwischen 80 % der Anteile an 50Hertz. Im Jahr 2018 erwarb die KfW im Auftrag der Bundesregierung die verbleibenden 20% der Anteile an dem Übertragungsnetzbetreiber. [Wikipedia/KfW]
TransnetBW ist eine 100-%-Tochter des EnBW-Konzerns. Der gehört zu jeweils 46,75 % dem Land Baden-Württemberg und dem Zweckverband Oberschwäbische Elektrizitätswerke (OEW). Dazu kommen einige kleinere Anteilseigner.
Deutsche Stromnetze und Europa
Das deutsche Übertragungsnetz existiert selbstverständlich nicht isoliert, sondern ist mit den Stromnetzen unserer Nachbarländer verbunden. Das deutsche Stromnetz ist somit Teil des zentraleuropäischen Verbundnetzes, dem die Länder der ehemalige Union for the Coordination of Transmission of Electricity (UCTE) angehören. Daneben existieren noch das Verbundnetz der nordeuropäischen Staaten, das Großbritanniens und das russische Verbundsystem.
Verbundsysteme sind dadurch gekennzeichnet, dass alle Erzeuger mit identischer Netzfrequenz arbeiten. Dadurch können sie in Umspannwerken über Leistungstransformatoren direkt elektrisch zusammengeschaltet werden. Das ermöglicht einen Lastenausgleich über Ländergrenzen hinweg und macht die einzelnen Stromnetze stabiler. Zudem verringert das Verbundnetz die Kosten für die Beschaffung von Regelenergie.